Durch Dialog zu neuem Wissen: transdisziplinäres Stakeholder-Engagement

Workshop zur Gestaltung von Stakeholderprozessen

Teilnehmende aus AWI, GEOMAR, Hereon, GFZ, KIT, GERICS, RIFS und HIFMB beim SynCom-Workshop in der Helmholtz-Geschäftsstelle – vereint durch die Frage, wie Stakeholderprozesse in der Helmholtz-Forschung systematischer und wirksamer gestaltet werden können. @ Helmholtz SynCom

Dirk von Schneidemesser (RIFS/GFZ) zeigt in seinem Vortrag „Stakeholderprozesse gestalten“, wie Sprache, Einladungsdesign und klare Spielregeln darüber entscheiden, ob Beteiligung zur echten gemeinsamen Lernarena oder zum Pflichttermin wird. @ Helmholtz SynCom

Workshop Teilnehmende tauschen sich untereinander über transdisziplinäres Stakeholder-Engagement aus. @ Helmholtz SynCom

Im Gespräch zwischen Kolleg:innen von GERICS und RIFS: Wie lassen sich gesellschaftliche Narrative und Klimarisiken in Beteiligungsprozessen adressieren, ohne Dialogformate zu überfrachten? @ Helmholtz SynCom

In der Kleingruppe entstehen Stakeholder-Maps, Skizzen für Co-Design-Prozesse und erste Ideen für eine „TransImpact-Toolbox“ – mit Blick auf konkrete Projekte zu Windparks, Datenverarbeitung und einem guten Zustand der Ostsee. @ Helmholtz SynCom

Am 25. und 26. November 2025 kamen rund 20 Teilnehmende aus dem Helmholtz-Forschungsbereich Erde & Umwelt in der Helmholtz-Geschäftsstelle in Berlin zusammen, um zwei Tage lang intensiv über transdisziplinäres Arbeiten und gelingendes Stakeholder-Engagement zu diskutieren. Vertreten waren die Helmholtz-Zentren AWI, GEOMAR, Hereon, GFZ und KIT – darunter Kolleg:innen aus dem Climate Service Center Germany GERICS (Hereon), dem Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit RIFS (GFZ) und dem Helmholtz-Institut für Funktionale Marine Biodiversität HIFMB (AWI/Universität Oldenburg). Organisiert wurde der Workshop von Helmholtz SynCom und der Workshop wurde von Dr. Sabine Hafner (KlimaKom) geleitet, die ihn gemeinsam mit Dr. Mechtild Agreiter vom KIT und Dr. Katharina Sielemann von SynCom konzipiert hatte. Der Workshop knüpfte an frühere SynCom-Aktivitäten zu gesellschaftlichem Impact und Science-Policy-Dialogen an und setzte den Fokus diesmal auf die gemeinsame Gestaltung von Stakeholderprozessen im Helmholtz-Forschungsbereich Erde & Umwelt.

Zum Auftakt am ersten Tag stand die gemeinsame Verortung im Mittelpunkt: Was bedeutet „Stakeholder-Engagement in der Wissenschaft“ konkret – und wie unterscheidet sich ein transdisziplinärer Ansatz von klassischer „Verwertung“ wissenschaftlicher Ergebnisse? In einem einführenden Impuls schärfte Dr. Sabine Hafner zentrale Begriffe und machte deutlich, dass transdisziplinäre Wissensproduktion mehr ist als Beteiligung „am Ende“ eines Projekts: Ziel ist die gemeinsame Entwicklung von Problemverständnis, Zielbildern und Handlungsoptionen mit Partnern aus Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft.

Zunächst reflektierten die Teilnehmenden ihre eigenen Erfahrungen: von Beteiligungsprozessen in Küstenregionen über Hitzeentwicklung in Städten bis hin zu Biodiversitäts- und Klimaanpassungsprojekten. Schnell wurde sichtbar, wie vielfältig die Anknüpfungspunkte für Stakeholder-Engagement im Forschungsbereich Erde & Umwelt sind – und wie stark diese Vielfalt zugleich nach Orientierung, Austausch und professionellen Formaten verlangt. Viele merkten dabei an, wie herausfordernd es ist, Akteur:innen aus Verwaltung, Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft frühzeitig einzubinden – und wie sehr Räume für einen echten, „tieferen Austausch“ fehlen, in denen man nicht nur Ergebnisse präsentiert, sondern gemeinsam denkt.

Daran knüpfte die erste Arbeitsphase an: Welche gesellschaftlichen Veränderungen wollen wir mit unserer Forschung überhaupt anstoßen? Und wer muss dafür eigentlich mit am Tisch sitzen? Die Teilnehmenden skizzierten ihre Themen, identifizierten zentrale Stakeholder und diskutierten, welche „Räume der Zusammenarbeit“ sie brauchen – vom gemeinsamen Schreiben eines Projektantrags (Co-Writing) bis zur gemeinsamen Co-Evaluation des Forschungsvorhabens. Immer wieder kam der Wunsch auf, Forschung stärker als Co-Design- und Co-Creation-Prozess zu verstehen und nicht nur als Abfolge von gegenseitigen Ergebnis-Updates.

Ein Input zu Stakeholder-Analyse und Stakeholder-Management half, das Ganze zu strukturieren: Wie schaffen wir es, nicht nur die „üblichen Verdächtigen“ anzusprechen? Wie gehen wir mit sehr unterschiedlichen Logiken, Zeitrhythmen und Erwartungen um? In Kleingruppen entstanden konkrete Bilder künftiger Projekte – inklusive Stakeholder-Maps, Ideen für Kommunikationsstrategien im nicht-akademischen Bereich und der Frage, wie sich transdisziplinäre Zusammenarbeit mit gesellschaftlichem Impact im Alltag eines Projekts verankern lässt, ohne zur reinen Kennzahlenübung zu werden.

Ein Höhepunkt des ersten Tages war der Impulsvortrag von Dr. Dirk von Schneidemesser (RIFS/GFZ) mit dem Titel „Stakeholderprozesse gestalten“. Anhand eigener Erfahrungen zeigte er, wie viel an scheinbaren Details hängt: Wer wird wann und wie eingeladen? Wie transparent sind Ziele und Spielregeln des Prozesses? Welche Formen von Beteiligung werden angeboten – zuhören, mitreden, mitentscheiden? Welche Begrifflichkeiten verwenden die relevanten Stakeholder selbst (z.B. „Präventionsarbeit“ statt „Unfallvermeidung“ in der Polizei oder „Sachverständige“ statt „Forschende“ im Bundestag)? Dr. von Schneidemessers Beitrag machte Mut, Stakeholderprozesse als gestaltbare Lernräume zu sehen und nicht nur als Pflichtprogramm, das „auch noch erledigt werden muss“.

Der zweite Tag startete mit einem Überblick über die Rollen von Forschenden in solchen Prozessen. Viele Teilnehmende kennen sich vor allem in der Rolle als vermeintlich neutrale Expert:in/Honest Broker wieder, erleben sich aber zugleich immer häufiger als Moderator:in, Übersetzer:in oder Brückenbauer:in zwischen sehr unterschiedlichen Welten. Besonders im Fokus standen gesellschaftliche Stimmungen und Narrative, die in der Forschung spürbar werden, Formen von Stakeholder fatigue („Schon wieder ein Workshop…“) sowie die Frage, wie Forschung zur demokratischen Willensbildung beitragen und gemeinwohlorientiert ausgerichtet sein kann.

Eine weitere Arbeitsphase drehte sich um die Frage, welche Fähigkeiten Forschende für all das brauchen. Genannt wurden u. a. Moderation und Mediation, ein Grundverständnis von Verwaltungs- und Policy-Prozessen, Erfahrung mit Kommunikation außerhalb des wissenschaftlichen Feldes sowie Sensibilität für Machtverhältnisse und unterschiedliche „Währungen und Sprachen von Stakeholdergruppen“.

Im Anschluss wurden die Ergebnisse des Workshops mit den Rückmeldungen der Teilnehmenden verknüpft. Mehrere Teilnehmende hoben die starke praktische Ausrichtung und die fokussierte Gruppenarbeit hervor; eine Person formulierte es so: Der Impulsvortrag von Dirk von Schneidemesser, der Input zur Zivilgesellschaft und die konzentrierte Atmosphäre seien besondere Stärken des Workshops gewesen. Eine andere Person betonte insbesondere den Raum für Interaktion und Dialog mit Kolleg:innen aus anderen Zentren.

Zum Abschluss wurde deutlich, dass Stakeholderprozesse vor allem eines sind: Beziehungsarbeit. Sie brauchen Zeit, Verlässlichkeit und institutionellen Rückenwind – in Form von Ressourcen, Anerkennung und passenden Strukturen in den Zentren. Die Teilnehmenden wünschten sich, den begonnenen Austausch fortzuführen, etwa über weitere SynCom-Workshops, Formate zum Co-Design von Projekten oder Veranstaltungen, in denen Methoden nicht nur vorgestellt, sondern gemeinsam ausprobiert werden. Zudem wurde ein Vorschlag erarbeitet, wie die Einbeziehung von Stakeholdern neben Drittelmittelprojekten auch in der Helmholtz-Forschung (PoF V) institutionalisiert werden kann.