Multi-Stakeholder-Workshop zur Diskussion aktueller Entwicklungen im Bereich Kunststoffe

SynCom-Projekt SPHERE

Teilnehmende des SynCom SPHERE Multi-Stakeholder-Workshops in Berlin – gemeinsam für wirksame Lösungen in der Kunststoff-Governance. © Helmholtz SynCom

Kontrovers, konstruktiv, konkret: Plenumsdebatten zu Regulierung, Kreislaufwirtschaft und Meeresschutz. © Helmholtz SynCom

Gemeinsam Lösungen denken: Arbeitsgruppen zu Mikro-/Nanoplastik, End-of-Life-Optionen, Produktion und biobasierten Ansätzen sowie zu Zukunftsvisionen. © Helmholtz SynCom

Fokus und Vielfalt: Transdisziplinäre Teams verknüpfen Herausforderungen mit Chancen und priorisieren nächste Schritte. © Helmholtz SynCom

Am 6. und 7. November 2025 fand im Rahmen des SynCom-Projekts SPHERE ein zweitägiger Multi-Stakeholder-Workshop im Michelberger Hotel in Berlin statt. Mit dem Ziel, unterschiedliche Stimmen aus Regulierung, Industrie, NGOs und Wissenschaft zusammenzubringen, wurden am ersten Tag Herausforderungen und Chancen im Zusammenhang mit aktuellen (politischen) Entwicklungen im Bereich von Kunststoffen diskutiert. Am zweiten Tag standen Visionen für eine nachhaltige Kunststoffzukunft im Fokus.

Den Auftakt prägte eine ungewöhnlich persönliche Vorstellungsrunde: Alle 33 Teilnehmenden nannten Namen, Organisation – und ihr „Lieblingsobjekt“ aus Plastik. Der Verbandsvertreter der kommunalen Gewerbe nannte einen mindestens dreißig Jahre alten und noch funktionsfähigen Haushaltsgegenstand aus Bakelit; eine NGO-Vertreterin und Podcast-Journalistin ihre Kopfhörer und eine Helmholtz-Forscherin beschrieb einen Algen-Plastik-Schaum, der entsteht, wenn Algen Plastikpartikel anlagern, mit Luftblasen aufsteigen und so Wasser und Sediment von Kunststoffresten reinigen. Diese konkreten Objekte erdeten die Debatte und machten sichtbar, dass „Plastik“ zugleich Problemstoff, Kulturmaterial und Innovationsfeld ist.

Zum fachlichen Einstieg spannten die Sprecher:innen den Bogen von Regulierung über Wissenschaft bis Technologie: In einer Tandem-Keynote beleuchteten Dr. Franziska Krüger und Stefanie Werner (beide Umweltbundesamt) die regulatorischen Ansätze und Maßnahmen in Kreislaufwirtschaft und Meeresschutz – präzise verortet zwischen europäischem Rahmen und nationaler Umsetzung. Stefanie Werner ging darauf ein, dass das vorhandene Plastik in den Meeren als Grundlage dient, um konkrete zu ergreifende Maßnahmen abzuleiten, und betonte, dass im marinen Bereich bereits viele Komponenten in der Regulierung gut ineinandergreifen. Dr. Franziska Krüger benannte hingegen die fehlende Wirtschaftlichkeit von Recycling und Rezyklaten als zentrales Problem, wobei die Vermeidung die höchste Priorität haben sollte. Ein weiterer Aspekt bezog sich darauf, dass Kreislaufwirtschaft mehr als nur Abfallwirtschaft beinhaltet und politische Maßnahmen an allen Stellen des Lebenszyklus ansetzen sollten.

Nach einer gemeinsamen Mittagspause gaben die SPHERE-Projektverantwortlichen kurze Einblicke in ihre jeweiligen Fokusthemen. Prof. Dr. Nick Wierckx (FZJ) setzte in seinem Impuls den Schwerpunkt auf physikalische und technologische Chancen und Herausforderungen für die Kunststoffpolitik, Paula Roos (UFZ) ging auf Narrative zu Plastik-Abbau und Mikro- und Nanoplastik in der Wissenschaft ein und Dr. Paul Einhäupl (RIFS/GFZ) konzentrierte sich auf aktuelle regulatorische Rahmenbedingungen im Kunststoffbereich.

Auf dieser Grundlage arbeiteten die Teilnehmenden in vier parallelen Breakoutsessions weiter: (i) Auswirkungen und Eindämmung von Mikro- und Nanoplastik, (ii) End-of-Life-Technologien für Kunststoffe, (iii) Produktion von Kunststoffen sowie (iv) biologisch abbaubare Kunststoffe. In der anschließenden Plenumsphase wurden die Ergebnisse gebündelt, Zielkonflikte benannt und erste Prioritäten skizziert – stets mit Blick auf Wirksamkeit, Machbarkeit und mögliche Rebound-Effekte.

Am zweiten Tag richtete eine Keynote von Prof. Dr. Annika Jahnke (UFZ) den Blick auf die globale Ebene: Warum brauchen wir eine internationale Regulierung für Plastik? Die Einordnung der laufenden Verhandlungen zum UN-Plastikabkommen verband die internationale Dynamik mit nationalen Spielräumen – von Standards und Monitoring bis zu Anreizsystemen für kreislauffähiges Design. Zentrale Aussagen ihrer Keynote waren: i) Umweltverhalten und -verbleib bei unterschiedlicher und unbekannter Zusammensetzung sind schwierig zu bewerten, ii) der Aspekt der reduzierten Ökosystemleistungen durch Plastik findet noch wenig Beachtung, iii) Plastik ist nicht nur ein Müllproblem und iv) ein weltweit gültiger Sockel an Maßnahmen gepaart mit Zusatzmaßnahmen für ambitioniertere Staaten könnte ein geeigneter Kompromiss für ein globales Plastikabkommen sein.

In einer Roundtable-Diskussion in gemischten Stakeholder-Gruppen entwickelten die Teilnehmenden Zukunftsvisionen für Deutschland: Wo müssen Governance-Instrumente ansetzen, welche Investitionen sind prioritär, wie lassen sich Design-for-Circularity, Datentransparenz und Beschaffungspolitik so verzahnen, dass sie echte Umweltentlastung statt bloßer Verlagerung erzeugen? In der abschließenden Plenumsrunde fügten sich alle Bausteine zu einem kohärenten Bild, und der informelle Austausch vertiefte Kooperationen über institutionelle Grenzen hinweg.

In einer Feedbackrunde zum Abschluss lobten die Teilnehmenden die Methodenvielfalt des Workshops, den gelungenen Austausch sowie die spannenden Einblicke und erkenntnisreichen Perspektiven.

Die Ergebnisse des Workshops fließen in ein Policy Brief ein, das Entscheidungsträger:innen im Deutschen Bundestag eine belastbare, interdisziplinär entwickelte Grundlage mit klaren Prioritäten und Maßnahmen bieten wird.

Herausforderungen, Chancen und Zukunftsvisionen für Kunststoffe - Bericht zum Stakeholderworkshop

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