Wie kommunizieren im politischen Raum?
2. Workshop für Meeres- und Umwelt-Wissenschaftler:innen zum Kompetenzaufbau für den Science-Policy Dialog
Impressionen von „Wie kommunizieren im politischen Raum? — Workshop für Meeres- und Umwelt-Wissenschaftler:innen zum Kompetenzaufbau für den Science-Policy Dialog“. © DAM/Helmholtz SynCom
Am 26. und 27. Juni 2025 kamen Wissenschaftler:innen zum zweiten Science-Policy-Workshop der Deutschen Allianz Meeresforschung und der Helmholtz SynCom im WissenschaftsForum Berlin zusammen. Aufbauend auf dem erfolgreichen Auftakt im Januar 2025 stand erneut der kompetenzorientierte Austausch im Mittelpunkt: Wie lässt sich eine wirkungsvolle Kommunikation zwischen Forschung und Politik gestalten – und welche Rolle nehmen Wissenschaftler:innen dabei ein?
Chancen nutzen und Herausforderungen erkennen
Der erste Tag startete mit einer intensiven Auseinandersetzung mit den Chancen und Herausforderungen des Science-Policy-Dialogs. Ein konstruktiver Science-Policy-Dialog schafft wechselseitigen Mehrwert: Politische Entscheidungsträger:innen erhalten durch wissenschaftliche Expertise eine fundierte Grundlage für evidenzbasierte Entscheidungen und können komplexe Zusammenhänge besser einordnen. Forschende gewinnen im Gegenzug ein besseres Verständnis für politische Entscheidungsprozesse und aktuelle Themenfelder, und identifizierte Forschungslücken ermöglichen eine gezieltere Ausrichtung zukünftiger Fragestellungen. Insgesamt können Forschende durch aktives Science-Policy-Engagement die Relevanz und Wirkung ihrer Arbeit erhöhen.
Gleichzeitig wurde deutlich, dass der Science-Policy-Dialog derzeit noch nicht ausreichend in Karrierepfaden, Fördermechanismen und Bewertungssystemen berücksichtigt wird. Eine weitere Herausforderung ist der hohe Zeitaufwand, der mit der (für den Science-Policy Dialog erforderlichen) kontinuierlichen Kommunikation und Netzwerkarbeit verbunden ist.
Das Rollenverständnis von Wissenschaftler:innen im Politikdialog
In der anschließenden Reflexion wurde das Spannungsfeld zwischen wissenschaftlicher Objektivität und politischer Positionierung diskutiert. Es gibt keine pauschale Antwort darauf, wie weit sich Wissenschaftler:innen politisch äußern sollten. Ausschlaggebend sind institutionelle Rahmenbedingungen, persönliche Haltung und das individuelle Rollenverständnis. Anhand verschiedener Modelle (nach Pielke, R.A. Jr 2007) wurden unterschiedliche Selbstverortungen diskutiert, die jedoch nicht klar voneinander abgrenzbar sind:
- Pure Scientist: liefert wissenschaftliche Erkenntnisse, ohne sich in politische Gestaltungsprozesse einzubringen
- Arbiter: bietet aufbereitete, zielgerichtete Informationen an
- Issue Advocate: spricht sich klar für bestimmte Handlungsoptionen aus
- Honest Broker: zeigt verschiedene Optionen auf und unterstützt differenzierte Entscheidungsprozesse
Einblick in die Praxis der Wissenschaftskommunikation
Im Programmpunkt „Diskussion von Praxisbeispielen“ gaben Dr. Nike Fuchs (Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Kommunikation und Transfer, MARUM, Universität Bremen) und Roland Koch (Leitung Kommunikation und Medien, Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung) Einblicke in ihre tägliche Arbeit in den Bereichen Wissenschaftskommunikation und Transfer.
Beide Referent:innen zeigten an konkreten Beispielen auf, wie wissenschaftliche Ergebnisse in politische Prozesse eingebracht werden können, sei es durch gezielte Kommunikationsformate wie Delegationsreisen, z. B. nach Spitzbergen, die Auswahl geeigneter Kanäle (z. B. Pressekonferenzen oder Social Media) oder die passgenaue Ansprache relevanter Zielgruppen etwa fachlich zuständiger Referent:innen in Ministerien. Auch der langfristige Beziehungsaufbau zu politischen Akteur:innen wurde thematisiert: Nicht punktuelle Informationsweitergabe, sondern kontinuierlicher Dialog schafft Vertrauen und Wirksamkeit.
Kommunikationsformate und praktische Übungen für den Politikdialog
Neben dialogorientierten Formaten wie parlamentarischen Veranstaltungen, zu denen im Workshop auch Beispiele von Helmholtz SynCom und der DAM vorgestellt wurden, zählten auch Policy Briefs zu den im Workshop behandelten Formaten. In einer Gruppenarbeit analysierten die Teilnehmenden verschiedene Beispiele wissenschaftsbasierter Informationsformate, darunter Policy Briefs und Fact Sheets, auf Verständlichkeit, Struktur und Aussagekraft. Die Übung zeigte eindrücklich, wie wichtig klare Sprache, erkennbare Kernbotschaften und eine adressatengerechte Aufbereitung von Forschungsergebnissen für den wirksamen Austausch mit der Politik sind.
Anschließend reflektierten die Teilnehmenden die gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Relevanz ihrer eigenen Forschungsthemen und entwickelten zentrale Kernbotschaften sowie erste Ideen für mögliche Handlungsoptionen.
Gelebter Wissensaustausch mit Vertreter:innen aus der Politik
Am Vormittag des zweiten Workshopstags erhielt die Gruppe in einem Gespräch mit Tanja Hickel (ehem. Büroleiterin im Bundestag), Stefan Hübner (Leiter des Referats „Europäischer Meeres- und Fischereifonds (EMFF), Europäischen Meeres-, Fischerei- und Aquakulturfonds (EMFAF)“ im Bundesministerium für Landwirtschaft, Ernährung und Heimat (BMLEH)) und Dr. Stefan Olbermann (Leiter des Referats „Finanzfragen internationaler Organisationen; Finanzfragen der internationalen Klimapolitik und des Umweltschutzes“ im Bundesministerium der Finanzen (BMF)) aus erster Hand Einblicke in politische Prozesse. Zunächst ging es um das Einbinden von wissenschaftlichen Informationen in den Politikalltag. Dieser sei stark tagesgeschäftsgetrieben: „Zeit, große Newsletter zu lesen, bleibt wenig“. Wenn wissenschaftliche Expertise in der Politik ankommen soll, sei es entscheidend, sich über aktuelle Geschehnisse zu informieren und dann den richtigen Zeitpunkt für den Austausch zu wählen. Persönliche Kontakte in die Politik und zu weiteren Akteur:innen, wie Vertreter:innen von Umweltverbänden, seien unverzichtbar, um z. B. frühzeitig über Gesetzgebungsvorhaben informiert zu werden. Auch der Koalitionsvertrag biete Einblicke in kommende Themen. Es lohne sich außerdem, im Gespräch zu bleiben und Veranstaltungen in Berlin zu besuchen: „Ich finde, Veranstaltungen sind nicht zu schlagen“, dort komme man ins Gespräch. Policy Briefs werden von den Referent:innen vor allem dann gelesen, wenn es die zeitlichen Ressourcen zulassen und das Thema auf der politischen Agenda steht. Online-Medien werden ebenfalls genutzt, besonders hilfreich seien dabei verlinkte, frei zugängliche Studien – ein Plädoyer für Open Access.
Bei der Informationsbewertung und -beschaffung spiele für Ministerien innerhalb der Forschungslandschaft insbesondere auch die Ressortforschung eine besondere Rolle. Im Allgemeinen wird das Impressum betrachtet und danach gefiltert, welche Personen und Organisationen bereits bekannt sind. „Ein AWI kennt jeder; Helmholtz kennt jeder.“ Auch wenn es für Forschende eine Herausforderung sein kann, konkrete Handlungsempfehlungen zu formulieren, spielen diese eine wichtige Rolle für Vetreter:innen aus der Politik. Die Kombination von Fakten und Handlungsempfehlungen sei optimal und mache die Arbeit leichter. In diesem Zusammenhang wurde in der Runde auch betont, dass wissenschaftliche Handlungsempfehlungen nicht automatisch umgesetzt würden. Politische Entscheidungen beruhten auf zahlreichen Faktoren; wissenschaftliche Erkenntnisse bildeten dabei zwar eine wichtige Grundlage, seien jedoch nur ein Teil des Gesamtbildes. Wissenschaftler:innen sollten sich dieser Zusammenhänge bewusst sein und sich davon nicht entmutigen lassen. Ihre Expertise werde dadurch nicht infrage gestellt. Es sei wichtig, sichtbar zu bleiben, den Dialog mit politischen Akteur:innen aktiv zu suchen und persönliche Netzwerke zu pflegen. „Gehen Sie selbstbewusst mit Ihrer Forschung in die Öffentlichkeit“, lautet ein abschließender Tipp für die Teilnehmenden am Science-Policy-Workshop.
Transfer in die Praxis und Ausblick
Um die praktische Umsetzung der Workshopinhalte zu fördern, erarbeiten die Teilnehmenden einen kurzen Impulsvortrag oder ein einseitiges Policy Brief zu ihrem Forschungsthema. In einem Online-Termin im Nachgang präsentierten sie ihre Ergebnisse und erhielten gegenseitiges Feedback. Die gesammelten Rückmeldungen wurden anschließend in einer praktischen Handreichung zusammengefasst.
Die Teilnehmenden erhielten im Science-Policy-Workshop, der gemeinsam von der DAM und Helmholtz SynCom organisiert und von Tome Sandevski geleitet wurde, einen umfassenden Einblick in das Feld der politischen Kommunikation. Es lässt sich festhalten: Für einen erfolgreichen Austausch mit der Politik ist es hilfreich, das eigene Rollenverständnis zu klären, ein konkretes Ziel zu definieren, den politischen Kontext zu verstehen und wissenschaftliche Inhalte in klarer, verständlicher Sprache mit prägnanten Kernbotschaften und – je nach Ziel – auch mit Handlungsoptionen zu vermitteln. Im Feedback fasste ein:e Wissenschaftler:in nochmals zentrale Aspekte des Workshops zusammen: „Vor allem fand ich den Austausch mit Experten:innen aus der Wissenschaftskommunikation sowie der politischen Praxis sehr interessant und dies hat gute Ansätze geliefert, wie man es selbst in der wissenschaftlichen Arbeit umsetzen kann, um den Dialog mit Politik und Verwaltung auszubauen und zu verbessern.“
Konzeption und Organisation: Tome Sandevski (Goethe Universität Frankfurt), Paulina Conrad (DAM) und Dr. Katharina Sielemann (Helmholtz SynCom).