Klimaneutralität 2045 – Chancen und Herausforderungen von DACCS und BECCS
Parlamentarisches Frühstück, organisiert von Helmholtz SynCom gemeinsam mit Helmholtz Energy, CDRterra, CDRmare, DACStorE, NETs@Helmholtz und der Helmholtz Klima Initiative
i) Parlamentarisches Frühstück „Klimaneutralität 2045 – Chancen und Herausforderungen von DACCS und BECCS“ am 17. Mai 2024 im Deutschen Bundestag. ii) Dr. Nina Scheer begrüßt die Anwesenden zum parlamentarischen Frühstück. iii) Prof. Dr. Klaus Wallmann im Gespräch mit Gästen. iv) Prof. Dr. Julia Pongratz führt in das Thema Carbon Dioxide Removal (CDR) ein. v) Prof. Dr. Daniela Thrän referiert über Bioenergie mit Carbon Capture and Storage (BECCS). vi) Prof. Dr. Roland Dittmeyer bei seiner Präsentation über Direct Air Capture. vii) Michael Theurer (parl. Staatssekretär für Digitales und Verkehr) diskutiert über CDR. viii) Schirmherrin Dr. Nina Scheer diskutiert mit den Anwesenden. ix–xi) Nach den Vorträgen und der Diskussionsrunde entfaltete sich ein reger Austausch zwischen Vortragenden, Bundestagsangehörigen und ihren Mitarbeiter:innen sowie Vertreter:innen verschiedener Bundesministerien. © Jan Pauls Fotografie/Helmholtz SynCom
Unter dem Titel „Klimaneutralität 2045 – Chancen und Herausforderungen von DACCS und BECCS“ richtete Helmholtz SynCom gemeinsam mit Helmholtz Energy, CDRterra, CDRmare, DACStorE, NETs@Helmholtz und der Helmholtz Klima Initiative am Freitag, den 17. Mai 2024, ein parlamentarisches Frühstück im Bundestag aus. Die Schirmherrschaft der Veranstaltung hatte Dr. Nina Scheer, MdB und klimaschutz- und energiepolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, inne. Die 32 Teilnehmenden gehörten den Bundestagsfraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP, CDU/CSU sowie den Bundesministerien für Wirtschaft und Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft an.
Moderatorin Marie Heidenreich, Leiterin des SynCom-Büros im Helmholtz-Forschungsbereich Erde & Umwelt, eröffnete das Frühstück um 07:30 Uhr im Bedienrestaurant des Jakob-Kaiser-Hauses im Deutschen Bundestag. Neben der massiven Reduktion von CO2-Emissionen seien negative Emissionen notwendig, um das deutsche Klimaziel der Klimaneutralität 2045 zu erreichen: „Über das ‚Netto‘ in ‚Netto Null 2045‘ möchten wir heute sprechen“, begrüßte sie die Gäste.
In ihrem einleitenden Grußwort betonte Dr. Nina Scheer, dass die Priorität in der Klimapolitik auf der Vermeidung von CO2-Emissionen liegen müsse. Sie unterstrich die Herausforderung, mit den CO2-Mengen umzugehen, und warnte davor, einzelne Maßnahmen der Vermeidung und Anpassung an den Klimawandel von vornherein auszuschließen.
Prof. Dr. Julia Pongratz (Ludwig-Maximilians-Universität München und Sprecherin des BMBF-Forschungsprogramms CDRterra) führte in ihrem Vortrag in das Thema CO2-Entnahme, zu Englisch Carbon Dioxide Removal (CDR), ein und gab einen Überblick über die verschiedenen Entnahmeverfahren. Sie betonte, dass wir „um Risiken zu streuen und die Akzeptanz zu erhöhen (…) ein breites Portfolio an CDR-Maßnahmen“ benötigten. Sie stellte die Vor- und Nachteile der unterschiedlichen CO2-Entnahmeverfahren hinsichtlich Permanenz der Speicherung, Speicherpotential, Kosten und Nebeneffekten dar. Darüber hinaus gab sie zu Bedenken, dass bei der Entwicklung des CDR-Portfolios die teils langen Zeitskalen für eine Hochskalierung zu beachten seien und Anreizmechanismen daher jetzt gesetzt werden müssten, um Planbarkeit zu gewährleisten.
Nach dem Einführungsvortrag gingen die Vortragenden speziell auf zwei technische Verfahren des Carbon Dioxide Removals ein. Zunächst sprach Prof. Dr. Daniela Thrän vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung UFZ in Leipzig über Bioenergie mit CO2-Abscheidung und -Speicherung (Englisch: Bioenergy with Carbon Capture and Storage, BECCS). Thrän wies darauf hin, dass BECCS in die bestehende Bioenergieinfrastruktur integriert werden und umgehend zur CO2-Entnahme beitragen könne. Politisch notwendig seien „ein Handlungsrahmen sowohl für die nachhaltige Biomassebereitstellung als auch für Carbon Capture and Storage“, ein Förderprogramm für BECCS-Demonstratoren und die „Integration des Landnutzungssektors in den CO2-Emissionszertifikatehandel.“
Anschließend erläuterte Prof. Dr. Roland Dittmeyer vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) ein weiteres CDR-Verfahren: Direct Air Capture – die Entnahme von CO2 aus der Luft mit anschließender Speicherung im Boden (DACCS). Der führende Ansatz verwende feste Absorber und Regeneration bei etwa 100°C. Dittmeyer sieht Potenzial für die Integration der Direct-Air-Capture-Technologie in Lüftungsanlagen von großen Industrieanlagen und Bürokomplexen und betont die Notwendigkeit von Forschung und Entwicklung: Es müssten „neue DAC-Technologien entwickelt werden, die weniger Energie benötigen und Abwärme nutzen können, mit Komponenten, die kostengünstig im industriellen Maßstab hergestellt werden können.“ Trotz vieler Studien gebe es bisher wenige Referenzanlagen, was die Kosten schwer einschätzbar mache. Erwartbar sei jedoch ein Preis von deutlich über den von Investor:innen genannten 100 $ pro Tonne CO2. Dittmeyer wies auf die in der Woche zuvor eröffnete DAC-Anlage der Firma Climeworks auf Island hin, die mit 36.000 Tonnen erwartete jährlicher CO₂-Abscheidekapazität die größte der Welt sei.
Auf die sowohl bei BECCS als auch bei DACCS nötige Speicherung von Kohlendioxid im Untergrund ging Prof. Dr. Klaus Wallmann vom GEOMAR – Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel ein. Er betonte die Notwendigkeit der CO2-Speicherung für BECCS, DACCS und Industrien mit nicht oder schwer vermeidbaren Emissionen wie die Zementindustrie. Milliarden Tonnen CO2 könnten unter dem Meeresboden gespeichert werden. Wallmann zeigte, welche Flächen in der Nordsee besonders gut für CCS geeignet seien: Meeresgebiete ohne Altbohrungen, die zudem nicht von Fischerei, Windkraft, Tourismus, Naturschutz und anderen konkurrierenden Nutzungen „besetzt“ seien. Zusammenfassend betonte er: “Das Wichtigste ist, dass wir jetzt wirklich vorankommen und die Gesetze und Strategien verabschiedet werden”, die Eckpunkte lägen mit der Carbon Management Strategie und den Eckpunkten der Langfriststrategie Negativemissionen vor. „Es muss zeitnah ein aktualisierter Rechtsrahmen für die Speicherung und den Transport von CO2 in Deutschland und den Export in Nachbarländer geschaffen werden. Da die CCS-Kosten noch deutlich höher sind als die CO2-Preise im europäischen Emissionshandel, müssen geeignete Anreizsysteme geschaffen werden, um erste CCS-Projekte in Deutschland zu ermöglichen.“
Im Anschluss an die Vorträge entwickelte sich ein reger Austausch der Bundestagsabgeordneten und Ministeriumsvertreter:innen mit den Vortragenden. Dabei ging es unter anderem um die Themen i) Abtransport von gespeichertem CO2 und der damit verbundenen Infrastruktur, ii) industrielle Weiternutzung von abgeschiedenem Kohlenstoff, iii) Anzahl der benötigten DAC-Anlagen sowie die Höhe, aus der diese die Luft ansaugen iv) mögliche Zertifizierungssysteme und v) Akzeptanz von Moorwiedervernässung. Abschließend betonten sowohl Abgeordnete, darunter ein Staatssekretär und ein Berichterstatter einer Regierungsfraktion für das Thema CCS die Relevanz und Dringlichkeit der CO2-Einsparung und -Entnahme.
Das Frühstück endete nach anderthalb Stunden um 9 Uhr vor der Plenarsitzung des Bundestags. Viele Gäste blieben noch länger, um die Themen im kleineren Kreis zu vertiefen. Auch im Nachgang sind Interessierte eingeladen, die Expert:innen rund um das Thema CDR zu kontaktieren. Kernbotschaften zu den fachlichen Inhalten sowie Kontaktdaten unserer Expert:innen finden Sie auf dem Handout zur Veranstaltung.